BRICS-Gipfel in Rio: Zwischen fragiler Einheit und globalen Ambitionen angesichts internationaler Spannungen
Die BRICS, ein Block aus mittlerweile elf Schwellenländern (darunter China, Indien, Brasilien, Russland, Südafrika sowie Iran und Äthiopien), trafen sich am Sonntag in Rio unter strengen Sicherheitsvorkehrungen zu einem Gipfeltreffen. Die Staats- und Regierungschefs äußerten von Anfang an ihre Besorgnis über die Zunahme protektionistischer Maßnahmen, insbesondere gegen Washingtons neue Zolldrohungen, obwohl die USA nie explizit genannt wurden.
In einer gemeinsamen Erklärung verurteilten die Mitglieder der Gruppe den „einseitigen“ Einsatz von Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen und bezeichneten sie als Praktiken, die den „Welthandel verzerren“ und die globale Wirtschaftsentwicklung gefährden. Diese verschleierte Kritik richtete sich gegen die Trump-Administration, die einen Handelskrieg entfacht hat, dessen Folgen noch immer spürbar sind.
US-Finanzminister Scott Bessent warnte: Sollte bis Anfang August keine Einigung erzielt werden, würden Zölle von bis zu 50 % in Kraft treten. Diese Bedrohung schwebt wie ein Damoklesschwert über Washingtons Handelspartnern.
Lula schlägt Alarm in Sachen Multilateralismus
Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, Gastgeber des Gipfels, zeichnete ein düsteres Bild der internationalen Lage. „Wir erleben einen beispiellosen Zusammenbruch des Multilateralismus“, warnte er und forderte eine Reform der westlich dominierten Weltordnung.
Doch die Einheit der BRICS-Staaten scheint brüchig. Die bemerkenswerte Abwesenheit von Xi Jinping – erstmals seit seinem Amtsantritt – und die von Wladimir Putin, der per Videokonferenz sprechen musste, schwächen das Symbol einer gemeinsamen Front. Der russische Präsident lobte dennoch die Dynamik der Gruppe und erklärte: „Die Ära des unipolaren Systems ist vorbei.“
Iran, Gaza: Themen, die trennen und vereinen
Der Gipfel war auch geprägt von der Position der BRICS-Staaten zu den Konflikten im Nahen Osten. Bei der Eröffnung bekräftigte Lula seine Verurteilung des „Völkermords in Gaza“, ein Vorwurf, der bereits eine schwere diplomatische Krise zwischen Brasilien und Israel ausgelöst hat.
In ihrer Erklärung forderten die BRICS-Staaten einen „sofortigen und bedingungslosen Waffenstillstand“ und den „vollständigen Abzug“ der israelischen Streitkräfte aus dem Gazastreifen. Gleichzeitig verurteilten die Mitglieder die Angriffe auf den Iran im Juni scharf und bezeichneten sie als „Verstoß gegen das Völkerrecht“ – ohne jedoch die Täter zu nennen.
In diesen sensiblen Fragen erwies sich die Konsensfindung als schwierig. Die iranischen Verhandlungsführer bestanden insbesondere auf einem härteren Ton in Bezug auf die Angriffe auf ihr Land, was die internen Spannungen innerhalb einer Gruppe widerspiegelt, die seit ihrer Erweiterung im Jahr 2023 heterogener geworden ist.
Eine volle Agenda: KI, Gesundheit, Klima
Über geopolitische Fragen hinaus wollen die BRICS ihre Zusammenarbeit in mehreren Schlüsselbereichen stärken. Derzeit werden Texte zu Künstlicher Intelligenz, Gesundheit und insbesondere Klima vorbereitet. Dieses letzte Thema ist von besonderer Bedeutung für Brasilien, das im November die COP30 in der Amazonasstadt Belém ausrichten wird.
Zwischen globalen Führungsambitionen und internen Spaltungen markiert der Rio-Gipfel einen strategischen Wendepunkt für die BRICS-Staaten. In einer zunehmend polarisierten Welt versucht der Block, die Grundlagen für ein neues internationales Gleichgewicht zu legen und sich gleichzeitig als Sprachrohr des Globalen Südens zu behaupten. Es bleibt abzuwarten, ob er mit einer Stimme sprechen kann.
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